frei
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Donnerstag, 21. Oktober 2010

Karl A. Hartmann - der innere Emigrant

Freitag, 22. Oktober 2010

Manuel Barrueco - Gitarre

Samstag, 23. Oktober 2010

Trio Rouge

Sonntag, 24. Oktober 2010

Oregon


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Mit dem Titel grenzenlos "frei" wird den Umständen und den Folgen von Emigration und der Sehnsucht nach Freiheit nachgespürt.

Der örtliche historische Hintergrund liefert uns das Leben und Schaffen des Komponisten Karl Amadeus Hartmann, der während des 3. Reiches in der inneren Emigration ein tiefes und bedeutendes Gesamtwerk schuf.
Seine Partituren überdauerten den Krieg im gerade so sehr nationalsozialistischen Murnau, vergraben im Pfarrgarten der evangelischen Christuskirche. Mit einem Konzert und einer Ausstellung wird dieser herausragende Komponist und Humanist gewürdigt.

Mit Manuel Barrueco ist ein Künstler eingeladen, der schon als junger Mensch gezwungen war seine Heimat Kuba zu verlassen, um sich menschlich und künstlerisch ohne ideologische Beeinflussung entwickeln zu können.

Der dritte Abend ist dem Lied der italienischen Resistenza gewidmet, das oft die anarchische Eigenständigkeit des Einzelnen betont und bei dem Festival grenzenlos avantgardistisch interpretiert wird.

Den Abschluß bildet ein Konzert jener Musiker, die schon beim Festival Woodstock in den 60´er Jahren spielten und aus dieser Erfahrung die Gruppe Oregon schufen.
Sie haben sich - geprägt durch die sich dort der Welt zeigende Bewegung
- ihre große innere Freiheit bewahrt.


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Dr.Rapp   W.Thierse   A.E.Rosmus   A.Grosser   G.Testa

Dr.Michael Rapp

Mit dem Musikfestival Grenzenlos des Jahres 2010, gehen die Marktgemeinde und der Kulturverein. e.V. nun schon gemeinsam in die elfte Runde. Der große Zuspruch der vergangenen Jahre, insbesondere der Besucherrekord der Jubiläumsveranstaltung im Vorjahr haben uns alle sehr erfreut und ermutigt, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Die hervorragende Qualität und das hochrangige Programm des Festivals ziehen Jahr für Jahr mehr Zuhörer in den Bann und unterstreichen die außerordentliche Vielfältigkeit eines nahezu unbegrenzten musikalischen Horizontes. Ziel der Veranstaltung ist es, die ganze Welt der Musik zu uns zu holen, gute Gastgeber für Fremdes, Exotisches, aber auch Abstraktes zu sein, eine Atmosphäre der Offenheit und Verschiedenheit zu schaffen, wo man sich wohlfühlt und das Besondere genießt.

"Die Gedanken sind frei", heißt es so schön, doch nicht nur der Kopf, sondern auch das Herz erfreut sich der Unbeschränktheit und des Ungezwungenen. Lassen Sie Ihre Seele baumeln, geben Sie den Gefühlen freien Lauf beim Grenzenlos Weltmusikfestival 2010 in Murnau.

Mein Dank gilt Herrn Thomas Köthe, dem künstlerischen Leiter, stellvertretend für alle Verantwortlichen, die sich um die Organisation und das Programm kümmerten.
Ich lade Sie alle herzlich ein zu kommen, zu hören, was das elfte Musikfestival Grenzenlos zu bieten hat, wünsche allen Besuchern gute Unterhaltung mit internationalen Künstlern, deren schöpferische Freiheit nahezu "Grenzenlos" ist.


Ihr
Dr. Michael Rapp
1. Bürgermeister

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Dr.Rapp   W.Thierse   A.E.Rosmus   A.Grosser   G.Testa

Wolfgang Thierse

Dass sich das Weltmusikfestival Murnau in diesem Jahr dem facettenreichen Thema "Emigration" widmet, ist eine mutige Entscheidung. Sie verknüpft die Freude an der Musik mit einem politisch unbequemen Thema - und das ist in unserer Festivalkultur nicht selbstverständlich. Schließlich verbinden sich mit Erfahrungen von Flucht, Exil, Emigration schmerzliche individuelle Leidensgeschichten von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Auch im 21. Jahrhundert suchen politisch Verfolgte, Vertriebene, Katastrophenopfer Zuflucht in fremden Ländern und Kulturen: Sie hoffen auf Verständnis und Solidarität, auf ein Leben in Würde.
Das Murnauer Festival erinnert daran und mahnt: Die Freiheitsliebe der Menschen ist grenzenlos, doch Freiheit selbst endet dort, wo sie nicht hinreichend geschätzt, ihre Fragilität nicht begriffen, sie gegen Angriffe nicht frühzeitig verteidigt wird. Die Musik gilt als grenzüberschreitende Kunstform schlechthin: Sie ist überall verständlich, bedarf nicht der Übersetzung. Musik kann Nähe stiften, sie kann helfen, Vorurteile und Barrieren abzubauen. Ganz in diesem Sinne wünsche ich dem Murnauer Festival viele Gäste aus Nah und Fern und allen Musikerinnen und Musikern große Lust und Freude am gemeinsamen Spiel!

Wolfgang Thierse,
Bundestagsvizepräsident


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Dr.Rapp   W.Thierse   A.E.Rosmus   A.Grosser   G.Testa

Anna E. Rosmus

Expressionisten und politisch engagierte Kunst hatte ich schon als Schülerin ins Herz geschlossen. Am Humanistischen Gymnasium lasen wir Schiller's Don Carlos, und ich erinnere mich bis heute an die Forderung: "Geben Sie Gedankenfreiheit!" ödön von Horvath kannte ich vom Theater. über meinem Bett hing ein Blaues Pferd von Franz Marc und über meinem Schreibtisch eine Totenmaske von Kurt Tucholsky. Unvergessen blieben mir Lieder aus dem Widerstand.

Mir gefiel das Bemühen um elementare Freiheiten des Menschen und das Erziehen zur Verantwortung jedes Einzelnen, demokratische Prinzipien zu erwirken und zu verteidigen. Ich mochte es, wenn jemand auch mit der Themenwahl gekonnt Stellung zu unserer Gesellschaft bezog. 

Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis war allerdings genau so unübersehbar wie der zwischen Inland und Ausland. Als unser Geschichtslehrer uns auf einer Landkarte zeigte, wann sich Deutschland's Grenzen wohin "verschoben" hatten, fragte ich, was genau er damit meinte. "Verschieben" tun sich Grenzen ja nicht von alleine. Leopold Fischer verließ den Raum, der Unterricht fiel aus.

Kurz vor dem Abitur beteiligte ich mich mit dem selbstgewählten Thema Daten innerer und äußerer Freiheit aus Geschichte und Politik Europas am Europäischen Aufsatzwettbewerb. Ich schrieb von Hitler's Machtergreifung 1933 ..., was mir eine Einladung von Jacques Chirac nach Paris einbrachte, nicht vom deutschen Bundespräsidenten Karl Carstens, der 1933 Mitglied der SA geworden war. 

Als ich 3 Jahre später zum ersten Mal vor Gericht stand, fragte mich der Vorsitzende Richter im gerammelt vollen Saal, warum ich dem Chefredakteur der Tageszeitung eine Karte mit Franz Marc's Chamäleon geschickt hatte. Der fühle sich beleidigt. Als ich beantragte, vor der Passauer Nibelungenhalle ein Mahnmal für Opfer des Nationalsozialismus aufstellen zu dürfen, lehnte Bürgermeister Hans Koniszewski dies vehement ab.

Als ich Oberbürgermeister Hans Hösl bat, etwas gegen die rechtsextremen Massenkundgebungen zu unternehmen, erklärte er mir, die Gastwirte wollten nicht auf die damit verbundenen Einnahmen  verzichten.

Als ich über das Passauer Haus berichtete, in dem Hitler als Kind gelebt hatte, bestritt der Bayerische Ministerpräsident Max Streibl öffentlich, es hätte dort eine Gedenkstätte gegeben. Dabei liegen bis heute Photos, Zeitungsberichte und sogar das damalige Besucherbuch vor.

Als ich mich 1995 erneut gegen die Ehrung von NS-Tätern auflehnte, fragte Felix Kuballa vom WDR Oberbürgermeister Willy Schmöller, ob er denn einen SS-General für ein Opfer des Nationalsozialismus halte. Schmöller, von Beruf Lehrer, antwortete vor laufender Kamera, er könne dies "nicht beurteilen". 

Während des Studiums hat mich das Thema Exil und Emigration besonders fasziniert - ohne zu ahnen, daß ich diesen Weg selber einmal gehen würde. 
Murnau ist mir deshalb seit vielen Jahren ein Begriff. Auf kleinem, überschaubarem Raum lassen sich Zusammenhänge besonders spannend aufzeigen. Christoph Probst kam in Murnau zur Welt. Ein Ort des Widerstandes ist Murnau deshalb allerdings ebenso wenig wie Passau. Max Dingler oder örtliche  Blutsordensträger kann man genausowenig unter den Teppich kehren wie deren Passauer Kollegen. Während Wassily Kandinsky sich in Murnau von der Gegenständlichkeit löste und ödön von Horvath den kleinbürgerlichen Faschismus beobachtete, entstand im Anwesen von Gottfried Feder das Parteiprogramm der NSDAP. Horvath mußte fliehen, Gabriele Münter die Werke ihres ehemaligen Lebensgefährten Kandinsky einmauern und in die Innere Emigration flüchten. Karl Amadeus Hartmann, der Gründer der Reihe Musica Viva, vergrub seine Partituren im Garten der evangelischen Kirche. Menschen und Werke wie diese könnnen nicht vom politischen Hintergrund gelöst werden. 

Gerade kleinere Hochburgen der Nationalsozialisten mit einer nach dem Krieg bestehenden Kontinuität einflußreicher Personen tun sich da schwer. Ortschroniken umschiffen solche Problematiken gerne, obwohl es immer wieder lohnende Anknüpfungspunkte gäbe. Im Interesse der Wahrheit und eines besseren Verständnisses muß eine solche Thematisierung wie auch eine personelle Verortung dieser Zeit aber stattfinden. 
Von außen wird dies vielleicht noch deutlicher. Ich erinnere mich z.B. noch heute, wie entsetzt einige Professoren in Kanada mir vom Vortrag eines Passauer Literaturwissenschaftlers hier in Nordamerika berichteten. Er hatte die Judenbuche als Thema gewählt und akribisch genau über die Buche geredet, aber die Juden beiseite gelassen .

Exil und Emigration sind mitunter eine Chance. Sie tun aber immer auch weh. Beide sind leider Themen der Menschheitsgeschichte geblieben und nicht auf die Dritte Welt beschränkt. Ich habe mich Exilanten und Emigranten schon in Deutschland verbunden gefühlt, immer wieder an deren Seite gekämpft und vier Jahre mit einem Immigranten aus dem Irak gelebt. 

Mein Umzug nach Amerika ist sicher glücklicher verlaufen als der von vielen Anderen: Ich mußte um kein Visum betteln. Ich brauchte niemanden bestechen oder belügen. Ich mußte nicht Schlange stehen und keine Diskriminierung fürchten. Ich wurde von Privatpersonen mit offenen Armen aufgenommen und von der Regierung offiziell willkommen geheißen. In knapp 20 Jahren ist das von mir gewählte Land auch Heimat geworden. Ich denke und ich schreibe in der neuen Sprache. Ich träume auf Englisch, und wenn ich müde bin, wird mein Deutsch mitunter fehlerhaft. 

Wie sehr ich Deutschland allerdings in mir trage, merke ich auch an den Reaktionen Anderer. Unübersehbar sind auch die Spuren der heftigen Reaktionen auf mein Bemühen, Geschichte nicht zu verdrängen, sondern Klarheit in einem noch viel zu dunklen Kapitel Deutschlands zu schaffen. Mein Leben ist zum Spagat zwischen zwei Kulturen geworden.

Daß Murnau heuer solche Aspekte musikalisch "beleuchten" will, um auf für den Einzelnen meist doch recht erschütternden Lebensumstand hinzuweisen, freut mich besonders. Gerade Konfrontation mit Einzelschicksalen kann auch zum Ansatz für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema werden. Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Erfolg und Ihren Besuchern eine echte Bereicherung!

Ihre Anna E. Rosmus


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Alfred Grosser

19. Dezember 1933 : der jüdische Frankfurter Kinderarzt Paul Grosser, mit Familie emigriert, kommt in Saint Germain en Laye (bei Paris) an. 4. Januar 1934 : Mein erster Schultag ohne Sprachkenntnis im Collège muniipal.1. Februar: ich werde neun. 6. Februar Tod des Vaters. Die Mutter eröffnet ein Kinderheim. 1. Oktober 1937 : Lily Grosser mit beiden Kinder französisch naturalisiert. Da bin ich schon seit langem voll integriert. Dank den wunderbaren Lehrerinnen, dank der Pfadfinder. Aber doch im Juni 1940 Fahrradflucht vor den Deutschen mit der Schwester (die im April 1941 an den medizinischen Konsequenzen stirbt). In Südfrankreich, schliesslich "unterirdisch" in Marseille. Nach Kriegsende, normale Karriere in französischer Universität und Medien. 1997 heisst mein Memoiren Buch Une vie de Français. Und ich ärgere mich, wenn ein deutscher Medienmensch mich vorstellt mit: "In Frankfurt geboren. Lebt in Frankreich." Ich "lebe" nicht in Frankreich.. Ich bin Franzose und wäre es auch noch, wenn ich in München oder Hamburg leben würde !

Aber ab 1945, Gefühl einer Mitverantwortung für die Zukunft der freiheitlichen Demokratie in Deutschland, zusammen mit den ehemaligen Gegnern des Hitler-Regimes, u.A. Walter Kolb, Oberbürgermeister on Frankfurt, dem ich 1947 begegnete bei meiner ersten sechs wochenlange Reise durch die drei westlichen Zonen. Dann Artikel-Reihe in Combat über die deutsche Jugend und die Notwendigkeit, die französische Grenze für sie aufzumachen. Von 1948 bis 1967, Generalsekretär des Comitéfrançais d'échanges avec l'Allemagne nouvelle. Was bedeutet seit langem Deutschland für mich ? Selbstzitat aus Mein Deutschland (1993) : "Es geht um das ständige Gefühl einer Mitverantwortung, eines Mitwirkenwollens, -dürfens und - könnens. Als Begleiter von draussen, der innen dabei ist und mit Teilnahme als Teilnehmer miterlebt. «

Weil ich Franzose bin, habe ich die französische Politik im Algerien-Krieg hart angegriffen. Da meine vier Grosseltern Juden waren, fühle ich mich genötigt, Israels Politik gegenüber den Palästinensern hart zu kritisieren. Die zwei Werte für Europa, die nicht genügend verstanden werden: die Sympathie für das Leiden der Anderen, vor allem der Besiegten, und die Distanz zu den eigenen Zugehörigkeiten, die diese Sympathie ermöglicht.

Alfred Grosser


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Gianmaria Testa

Grenzen aufheben, das kann nur die Musik, die Kunst im Allgemeinen. Mit wieviel Mühe erlernen wir eine Fremdsprache, wie leicht jedoch ist's uns, in Einklang zu treten mit einer künstlerischen Aussage, auch wenn sie von uns scheinbar fernen Welten kommt. Dies, weil die Kunst zum Menschen gehört wie der Atem und die Schönheit, die Sprache und der Traum.

Wer Grenzen erfand, tat es, um sich zu schützen. Grenzen erwachsen aus Angst. Die Kunst sieht Ängste nicht vor, noch gebiert sie Rassismen, sie lässt sich nicht fesseln im Käfig der Macht. Kunst ist das Gespräch des Menschen mit dem Menschen und somit mit sich selbst.
Buon festival

Gianmaria Testa


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Karl Amadeus Hartmann

Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie mit Andreas Harm Baumgartner
von Andreas Röder

Freiheit, nicht als kollektiver Glücksrausch, sondern als bewusste Zuwendung an das Schicksal einzelner Menschen ist das anspruchsvolle Thema des Weltmusikfestivals grenzenlos 2010. Das Freiheit offenbar erst durch die persönliche Erfahrung des Gegenteils, des Eingeschlossenen also, vollständig in das menschliche Bewusstsein tritt, machte Bürgermeister Michael Rapp am Donnerstagabend in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung des bis Sonntag, 24. Oktober dauernden Musikevents am Beispiel der Befreiung der Bergleute in Chile deutlich: "Diese Fernsehbilder haben mich emotional tief berührt." Gerade die kritischen Impulse der umfassenden Thematik von grenzenlos "frei" würden ein hohes Maß an Toleranz erfordern, dessen sich der Kulturverein Murnau und namentlich dessen Vorsitzende, Thomas Köthe und Konstantin Zeitler, in vorbildlicher Weise annehmen würden. Doch der Scherz von Rapp, "keine Angst, das Konzert wird nicht abgesagt", hatte einen traurigen Hintergrund. Das Kammerorchester des Bayerischen Symphonieorchesters spielte vor fast leerem Saal. Die knapp 60 Zuhörer, darunter kaum Einheimische, machten deutlich, dass die Marktgemeinde dem antifaschistischen Komponisten Karl Amadeus Hartmann nicht gerecht wird. Denn dieser erste Abend des Weltmusikfestivals war eine bewegende Hommage an den Münchner Komponisten, dessen Werk im Pfarrgarten der Christuskirche vergraben (wir berichteten), das Naziregime überdauerte. Nur mochte man doch vorsichtig fragen: Wo waren die Vertreter der evangelischen Kirche? Wo das Bündnis gegen Rechts? Und wo waren die Murnauer Lehrer, denn gehört nicht gerade der lokale Aspekt der Judenverfolgung in den Unterricht? Was "frei" eigentlich wirklich bedeutet, rückt eben erst vollständig in das kollektive Bewusstsein, wenn der Einzelne mit dem Gegenteil, der Beklemmung konfrontiert wird. Das Kammerorchester hatte mit Andreas Harm Baumgartner einen vorzüglichen Leiter. Der Dirigent stellte der 4. Symphonie von Hartmann, eine eigens geschriebene Orchesterfassung des Streichquartetts "Der Tod und das Mädchen" von Franz Schubert voran. Mit dieser Vielfalt von Geigen trat die innere Dramatik des berühmten Spätwerkes des Frühverstorbenen noch deutlicher in den Vordergrund. Der Stil von Baumgartner setzte die Gewichtung auf das Ausmalen und die Beschreibung von Klangformen. Das Todesmotiv der Tonwiederholung zeigte in der großen Fassung für Orchester eine klare Anlehnung an die seinerzeit bahnbrechende Wirkung einer vergleichbaren Idee in der 7. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Andererseits brachte die überlagerung der Streicherstimmen mit sich, dass sich das Unbedingte der Todesnähe äthergleich im Saal ausbreitet. Hoffnung und Leben sterben in einem Todesnebel. Nimmt man nun noch das beklemmende Bühnenbild von Christian Schied und Bernd Weber in die Beschreibung mit auf, ein Ausschnitt von Gitterstäben, über die verschwommene, verblichene Zahlenreihen geistern, dann ist der übergang zu Hartmanns Werk perfekt. Das Todesmotiv wird nicht verdoppelt sondern vervielfacht und dennoch zielt die Wirkung nicht auf eine atmosphärische Erweiterung ab, sondern die Monotonie der Musik nimmt mit einer Umkehrung nach Innen, den Zuhörern die Luft zum Atmen. "Der innere Emigrant" heißen Konzert und Ausstellung zu Leben und Werk von Karl Amadeus Hartmann. Nur was Leben im Dritten Reich überhaupt bedeutet, legte diese hoch engagierte Aufführung frei.


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Manuel Barrueco

Kubanischer Weltklasse-Gitarrist begeistert mit Welturaufführung 240 Zuhörer
von Andreas Röder

Manuel Barrueco vermittelte mit Gitarre und ohne elektronische Verstärkung, dass auch Traurigkeit eine Empfindung ist. Vor 240 Zuhörern begann der Exil-Kubaner, dessen Geburtsort Santiago de Cuba nicht nur älter als Havanna, sondern auch musikalisch weitaus interessanter ist, mit einer Sonate von JoséArdévol. Die Wahl dieses sehr ernsten, durchgängig abstrakten Werkes machte schon nach wenigen Akkorden deutlich, dass Barrueco ein Programm spielte, dass auf das Thema des Weltmusikfestivals grenzenlos "frei" in besonderer Weise abgestimmt war. Der nur wenigen bekannte, spanische Komponist ging den umgekehrten Lebensweg wie Barrueco: 1911 in Baracelona geboren, starb Ardévol in Havanna. Für ungeübte Ohren war es ein ausgedörrtes, knochentrockenens Stück, immer wieder in Disharmonien abbrechend. Wie niederprasselnde Regentropfen nach langen Zeiten der Dürre wirkten dementsprechend die ersten Klänge der Kompositionen des Argentiniers Astor Piazolla. Die "Cinco Piezas" waren nicht minder minimalistisch durchgearbeitet, aber doch von einem großen Gefühl beseelt, dessen Wärme der Weltklasse Interpret mit seinem federleichten Spiel intensiv und anziehend machte. Nach der Pause erlebte das bereits restlos begeisterte Publikum eine Welturaufführung in Murnau: "Little Lute Music in Memory of John Dowland" (2010) von Dimitri Yanov-Yanovsky aus Usbekistan. Es war auch der einzige Moment im Konzert, wo sich Barrueco an das Publikum wendete. Er sagte, das sehr sphärische Stück des 47-jährigen Komponisten sei im Geist ("Spirit") von John Dowland geschrieben, den Yanov-Yanosky nicht nachempfinde, sondern in diesem Werk huldige. Vom Duktus versprengt und zerstückelt, erinnerte es zunächst an den Anfang des Konzertabends, allerdings stiegen schon bald recht zaghafte, hoffnungsvolle Melodien empor, die jedoch urplötzlich abfielen und wie Blasen zerplatzten. Dies alles war sehr kunstvoll durchgestaltet und von Barrueco mit soviel Klasse vorgetragen, dass gerade die Komposition für viele Zuhörer zum Schönsten des Abends gehörte. Ein ästhetischer Hochgenuss war allerdings auch die darauf folgende Sonate des Mexikaners Manuel M. Ponce (1882 bis 1948). Das bis dahin ruhige und verhaltene Spiel Barruecos gewann nun an Spritzigkeit. Flog die linke Hand des Musikers am Gitarrenhals rauf und runter, ruhte die rechte wie ein Mirakel über dem Schallloch, hier temperamentvolle, stolze Töne entlockend, deren Hintergründe zwar karg, aber dafür unendlich weit erschienen. Das Finale hob an mit dem "Capricho Arabe" von Francisco Tárrega. Das Virtuose kam nun deutlicher zum Vorschein und es hatte den Eindruck als übertrage sich die flaumige Leichtigkeit des Spiels auf das Publikum. Eine enthusiastische Beifallsbekundigung jagte die andere und der grandiose Konzertabend, endete mit nicht weniger als drei Zugaben, darunter "Malageña" von Isaac Albéniz.


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Trio Rouge

Lucilla Galeazzi (Gesang), Vincent Courtois (Violoncello), Michel Godard (Tuba)
von Andreas Röder

Was ist eigentlich linke Musik? Ihr Kern ist Dada, ein lautmalerisches Lallen und sirenenhafte Kehlkopftöne, die, von Lucilla Galeazzi vorgetragen, sogar einen gestandenen - hier nicht namentlich genannten - Gemeinderat einer großen konservativen - hier ebenfalls nicht genannten - Volkspartei in Murnau zum Schwärmen bringen können. Denn Trio Rouge ist musikalischer Sozialismus und das Konzert im Kultur- und Tagungszentrum war so was mitreißend, dass 160 Zuhörer immer wieder begeistert klatschten, pfiffen und die Künstler mit lauten Zurufen zu mehr und noch mehr Darbietungen aufforderten. Begleitet wurde die italienische Sängerin von zwei außergewöhnlich guten, französischen Musikern: Vincent Courtois (Violoncello) und Michel Godard (Tuba). Galeazzi schaffte es, das Publikum mit artistischen Vorführungen von Lautgedichten und rhythmischen Zungenschlägen den letzten Rest von Emotionen herauszupressen und wirkte dabei doch selber immer erstaunlich sicher, so, als könne sie die Empfindung selber nicht berühren. Die wahre Diva ist eben keine Diva, wie wirkliche Größe das genaue Gegenteil von Ehrgeiz und Wollen ist. Revolution ist da, wo getanzt wird, heißt ein altes sozialistisches Credo und Trio Rouge zeigte dem Murnauer Publikum, warum, das so ist. Das Dionysische ist das Gegenteil des Apollinischen. Hier steht nicht Hell gegen Dunkel, sondern vor allen Dingen die Vernunft gegen - ja, gegen was eigentlich? Es ist nicht der Rausch, das wäre viel zu platt. Es ist, wie der Philosoph Friedrich Nietzsche sagte, die Musik selber. Dieses Dionysische brachte nicht nur Godard mit seiner Tuba in einer explodierenden Farbenpracht zum Ausdruck, sondern vis á vis Courtois auf dem Cello. Intelligente Musik machen, heißt den Sinn einer jeden Form zu hinterfragen, überkommene Strukturen zu entblößen und dennoch das Feld zu behaupten. Erstaunlicher Weise war in dieser Musik viel Arabisches enthalten. Der Gesang von Galeazzi hatte unverkennbar orientalische Färbungen und auch spielte Courtois das Cello manchmal wie eine arabisches Saiteninstrument. Was Godard aus seiner Tuba herausholte, waren nicht nur Töne einer Jazztrompete, sondern ein ganz spezielles, oft wiederholtes, an ein Segel erinnerndes Flattern, wenn er mit weichen, vibrierenden Lippen in das Mundstück blies. Grandios wirkten nicht nur die zahlreichen Improvisationen, mit denen die Musiker das Publikum zum Lachen brachten, sondern auch die großen, sozialistischen Lieder aus dem Widerstand, wie "Bella Ciao", "Gorizia" oder "Il 12 Diciembre A Martina".


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Oregon

Gefeiertes Finale des Weltmusikfestivals "grenzenlos frei"
von Andreas Röder

Mit dem Auftritt der amerikanischen Jazz-Band Oregon feierten 170 Zuhörer im Kultur- und Tagungszentrum ein grandioses Finale des Weltmusikfestivals "grenzenlos" 2010. Die Musik der unmittelbar nach dem legendären Woodstock-Festival gegründeten Band, kultiviert seit über 40 Jahren einen Stil aus Folk, Klassik und Jazz. Das einmalige Erlebnis wurde in Murnau in einem absolut perfekten Sound präsentiert. Im Vordergrund des Abends stand Bandleader Ralph Towner (Gitarre, Klavier). Während des fast drei Stunden dauernden Mammut-Konzertes, begeisterte der Musiker mit Eigenkompositionen aus drei Jahrzehnten. Doch nicht nur die Zuhörer waren erfreut. Auch Jazz-Moderator Roland Spiegel, der am 11. Dezember in BR-Klassik ab 18 Uhr einen Live-Mitschnitt aus den drei Murnauer Abenden mit Manuel Barrueco, Trio Rouge und Oregon bringt, zeigte sich nach dem Konzert hoch zufrieden: "Oregon bietet mir Material für eine zweistündige Sendung." Neben Towner hatte Paul McCandless einen überragenden Auftritt. Der Multi-Instrumentalist spielte diverse Blasinstrumente, darunter Saxophon, Oboe, Bassklarinette und wie der griechische Gott Pan auf den Darstellungen Alter Meister: zwei kleine Flöten auf einmal. Mit rhythmisch mitreißenden Solos zog Schlagzeuger Marc Walker die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Ebenfalls auf der Bühne in Woodstock stand Glen Moore, der mit seinem Kontrabass eine wichtige Verbindung zwischen den symphonischen und rockigen Elementen der Kompositionen herstellte. Für Oregon ist der Klang als multikulturelles Gesamtkunstwerk wichtig. Von elementarer Bedeutung sind daher nicht nur indische, brasilianische und karibische Elemente, sondern auch die vielen elektronischen Verfremdungen, mit denen die Band die farbige Intensität ihres Klangspektrums erzeugte. So mit Hilfe experimenteller Tonverzerrungen, wodurch die Musiker Klangruinen und Geisterstädte als akustische Landschaften entstehen ließen. Höhepunkte waren die Improvisation zwischen den beiden Stücken "Pepe Linque" (Glen Moore) und "In stride" von Towner, sowie die sehr poetische Nummer "Green and golden", gleichfalls von Towner. Mit einem Reigen von Zugaben endete das Konzert. Der künstlerische Leiter des Kulturvereins, Thomas Köthe, beendete mit dem grandiosen Abend das elfte Weltmusikfestival mit dem Thema "frei". Das Woodstock-Festival, so Köthe, "war eine Initiale für eine künstlerische und gesellschaftliche Revolution".


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Karl A. Hartmann - der innere Emigrant

Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant
Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant Karl A. Hartmann - der innere Emigrant

© für alle Bilder : Christian Kolb


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Manuel Barrueco - gitarre

Manuel Barrueco Manuel Barrueco Manuel Barrueco

© für alle Bilder : Christian Kolb


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Trio Rouge

Trio Rouge Trio Rouge Trio Rouge Trio Rouge
Trio Rouge

© für alle Bilder : Christian Kolb


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Oregon

Oregon Oregon Oregon Oregon
Oregon Oregon Oregon  

© für alle Bilder : Christian Kolb


Sinti und Roma

Donnerstag, 25. Mai 2000

Jabulani & Ensemble Neighbours
Thomas Köthe

Freitag, 26. Mai 2000

Kálmán Bálogh & and The Gypsy Cimbalon Band - Ungarn
Loyko - Russland

Samstag, 27. Mai 2000

Joe Bawelino - Gypsy Strings - Deutschland
Titi Winterstein & Ensemble - Deutschland

Sonntag, 28. Mai 2000

Paco Pena - Flamenco Nacht - Spanien

Orient trifft Okzident

Donnerstag, 24. Mai 2001

Die Stadt- und Landstreicher
Peter Oravec & Thomas Köthe
Barbara Mayr goes Brazil

Freitag, 25. Mai 2001

Charlie Mariano & Nassim

Samstag, 26. Mai 2001

Gerardo Núñez & Ensemble

Sonntag, 27. Mai 2001

Urs Karpatz

transatlantisch

Donnerstag, 10. Oktober 2002

Feitztanz
ZHAO Ling - Anita Schmid-Egger
Paulo Alves - Estillo Livre feat. Barbara Mayr vocal

Freitag, 11. Oktober 2002

Aniello + Gennaro Desiderio

Samstag, 12. Oktober 2002

Richard Galliano

Sonntag, 13. Oktober 2002

Maria João + Mario Laginha

Heiße Luft

Donnerstag, 15. Mai 2003

Rabih Abou Khalil - Group

Freitag, 16. Mai 2003

Johannes Enders - Quartet feat. Franco Ambrosetti

Samstag, 17. Mai 2003

Blechschaden

Sonntag, 18. Mai 2003

Fanfare Ciocarlia

Sonntag, 25. Mai 2003

John Pisano, Mike Magnelli, Mundell lowe, Gene Bertoncini

Improvisation

Freitag, 8. Oktober 2004

Tracy Silverman & Ferdinand Försch - from Bach to Hendrix

Samstag, 9. Oktober 2004

Gonzalo Rubalcaba - piano solo

Sonntag, 10. Oktober 2004

Sergio & Odair Assad - guitars

Heimat

Donnerstag 22. September 2005

Murnauer Kammerorchester e.V. Ltg: Christoph Garbe
Murnauer Geigenmusik
Franz Floßmann Quartet

Freitag 23. September 2005

Roland Neuwirth & Extremschrammeln - Wien

Samstag 24. September 2005

Anouar Brahem Trio

Sonntag 25. September 2005

Jaques Morelenbaum and The Cello Samba Trio

An der schönen blauen Donau

Donnerstag, 5. Oktober 2006

ZHAO Ling spielt Mozart - Klavierabend

Freitag, 6. Oktober 2006

Kálmán Balogh & The Gypsy Cimbalom Band

Samstag, 7. Oktober 2006

Titi Winterstein & Ensemble

Sonntag, 8. Oktober 2006

Roland Neuwirth & Extremschrammeln

vielsaitig

Freitag, 12. Oktober 2007

Gennaro & Aniello Desiderio - violin meets guitar

Samstag, 13. Oktober 2007

Alvaro Pierri - guitar

Sonntag, 14. Oktober 2007

Jim Hall Trio

allein zu zweit

Freitag, 24. Oktober 2008

Aki Takase - piano
Alexander von Schlippenbach - piano

Samstag, 25. Oktober 2008

Nguyên Lê - gitarre
Dhafer Youssef - oud, vocal

Sonntag, 26. Oktober 2008

Jean-Louis Matinier - accordeon
Renaud Garcia-Fons - bass

Songs

Freitag, 23. Oktober 2009

Roland Dyens - gitarre

Samstag, 24. Oktober 2009

Enrico Rava - trompete
Stefano Bollani - piano

Sonntag, 25. Oktober 2009

Eliane Elias - piano,vocal
Marc Johnson - bass
Rubens de la Corte - gitarre
Rafael Barata - drums

Frei

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Karl A. Hartmann - der innere Emigrant

Freitag, 22. Oktober 2010

Manuel Barrueco - Gitarre

Samstag, 23. Oktober 2010

Trio Rouge

Sonntag, 24. Oktober 2010

Oregon

Roots

Freitag, 14. Oktober 2011

Trio Joubran - Palestine / Israel

Samstag, 15. Oktober 2011

Guinga - Brasil

Sonntag, 16. Oktober 2011

Sergio & Odair Assad Family - Lebanon / Brasil